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Begeistert von den Wachsmodellen in Florenz, die sein Bruder – der Großherzog der Toskana und spätere Kaiser Leopold II. – anfertigen hatte lassen, bestellte Joseph II. insgesamt 1.192 Modelle für die neu gegründete Akademie in Wien. Wir wissen, dass ihm die Idee anlässlich seiner Reise 1769 nach Italien kam. Er hatte dort das naturwissenschaftliche Museum La Specola besucht, das sein Bruder Leopold, Großherzog der Toskana und späterer Kaiser Leopold, mit pflanzlichen und tierischen Präparaten aus Wachs ausstatten ließ. Oberitalien war das florierende Zentrum der Wachsmodellierkunst. Zuvor wurden etwa geburtshilfliche Präparate aus Terrakotta und Ton hergestellt. Wachs aber war nicht nur leichter formbar, sondern auch kostengünstiger. Die Erzeuger der anatomischen Modelle waren künstlerisch begabte Anatomen, Physiologen und Wissenschaftshistoriker, die unter der Leitung von Felice Fontana (1720-1805) und Paolo Mascagni (1752-1815), der sich auch durch seine Forschungen auf dem Gebiet des Lymphsystems ausgezeichnet hat, tätig waren. Joseph II. bestellte zu Lebzeiten insgesamt 1.192 Wachs-Modelle im Wert von 30.000 Gulden. 1784 wurden die ersten fertigen Objekte in Einzelteile zerlegt und verpackt in einem Konvoi aus Menschen und Maultieren von Florenz über Bologna und Verona über den Brenner bis zur Donau gebracht und von Linz nach Wien verschifft. Sechs Jahre lang arbeiteten die Ärzte in Florenz am Auftrag des Kaisers. An der Darstellung der Ganzkörper-Figuren ließen sich die Modelleure von der Kunst der damaligen Zeit inspirieren: Sie benutzten Gestalten aus Michelangelos Skizzen, die teils entrückten Heiligen und Märtyrern ähneln. Die Körper der Frauen haben barocke Züge.

Diese Lehrsammlung hatte auch ein didaktisches System. Die Vitrinen ließen sich öffnen und die Objekte dadurch auch genau begutachten. Über den einzelnen Vitrinen befanden sich die mit einem Raster und Ziffern versehenen anatomischen kolorierten Zeichnungen zu den Modellen. Zusätzlich lagen in den darunter befindlichen Schubladen die Erklärungen in den Sprachen Italienisch und Latein mit einzelnen Übersetzungen in das Deutsche.

Die Modelle dienten nicht nur als Anschauungsmaterial für auszubildende Militärärzte und Chirurgen, sondern waren auch für die Öffentlichkeit zu sehen – um ihnen den Aufbau des menschlichen Körpers zu vermitteln. Joseph II. setzte sich im Sinne der Aufklärung für eine bessere Bildung der Menschen ein. Daher waren die Wachsmodelle auch für die Bevölkerung zugänglich.

Die Wachsmodelle repräsentieren in klarster Weise eine Lehrsammlung aus der Zeit der Aufklärung und sind noch heute zum Großteil erhalten. Sie werden in sieben Räumen in den originalen Vitrinen aus Rosenholz und venezianischem Glas ausgestellt.

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Weibliches Ganzkörpermodell
um 1785

Darstellung der Lymph- und Blutgefäße des Brust- und Bauchraumes.

Gehirn
um 1785

Schlagadern und Lymphgefäße des Gehirns.

Männliches Ganzkörpermodell
um 1785

Darstellung des Hohlvenensystem mit Herz.

Horizontalschnitt durch den Schädel
um 1785

Die Mediceische Venus
um 1785

Weibliches Ganzkörpermodell mit herausnehmbaren inneren Organen.

Detail | Josephinum